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Wolkenschlösser

von

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Lebendes Geländer

Es wirken mit:
 

Die Erzählerin,

ein Geländer

und die verrückten Ideen eines kleinen Kindes.
 

Als kleines Kind, habe ich mir einmal einen Spaß daraus gemacht, meinen Kopf durch das Geländer unseres Treppenhauses zu stecken.

Ich stellte mir vor, dass die Stäbe zu beiden Seiten meines Schädels brechen würden und war davon überzeugt, dass ich nur fest genug daran glauben musste, damit die Kraft meiner Gedanken, dies bewerkstelligen konnte. Als ich dann so mit dem Kopf zwischen den Stäben hing und sich einfach nichts verbiegen wollte, bekam ich doch ein wenig Angst.

Was wenn ich jetzt für immer und ewig feststecken würde?

Wenn ich nie wieder nach draußen gehen konnte und für alle Zeiten hier sitzen bleiben musste?

Dabei war morgen doch Tanias Geburtstagsparty. Die durfte ich auf keinen Fall verpassen. Sie wäre furchtbar enttäuscht, wenn ich, als ihre beste Freundin, nicht auftauchen würde. Ich musste meinen Kopf also wieder hier rausziehen, aber egal wie stark ich zog und an den Stäben rüttelte, ich passte nicht mehr hindurch.

Das war doch vollkommen unlogisch. Wenn mein sturer Kopf dadurch passte, musste ich ihn doch auch wieder rausbekommen können.

Oder war mein Schädel durch das angestrengte Nachdenken angeschwollen?

Hatte mein Gehirn sich etwa vergrößert?

War ich jetzt vieleicht viel intelligenter als vorher?

Das wäre toll, dann könnte Grace sich den Titel der Klassenbesten abschminken. Ich würde zu gerne ihr Gesicht sehen, wenn ich in einem Test besser abschneiden würde als sie.

Aber was konnte mir mein neu gewonnener Grips schon nutzen, wenn ich doch hier feststeckte?

Ich dachte angestrengt nach.

In Zeichentrickfilmen, befreihten sich Leute in solchen Situationen immer dadurch, dass sie die Stäbe mit Butter einrieben.

Problematisch an dieser Idee, war jedoch, dass meine Arme viel zu kurz waren, um unseren Küchenschrank zu erreichen.

Ich verfluchte die Tatsache, dass ich Knochen besaß und mich nicht einfach so die zwei Stockwerke zu unserer Küche hochstrecken konnte, aber ohne Knochen würden ich hier ja auch gar nicht feststecken.

Ettliche Minuten vergingen, ohne dass sich an meiner Lage erwas veränderte. Da kroch plötzlich die Panik die Innenwände meines Körpers hoch.

Ich wollte nicht für immer und ewig hier sitzen bleiben.

Das war langweilig und ungemütlich.

Ich wollte wieder mit Ed draußen im Garten fangen spielen, in der Sonne Wassereis essen und in meinem kuscheligen Bett schlafen könnnen.

Ich griff nach den Stäben des Geländers, stellte meine Füße zu beiden Seiten meines Kopfes und drückte mich mit all meiner Kraft ab. Ich spürte ein starkes ziehen im Genick, als würde sich mein Schädel vom Rest meines Körpers lösen. Bei der Vortstellung mir selbst den Kopf abzureißen und von jetzt an blind durch die Welt zu torkelen, lief es mir kalt den Rücken runter.

Ich gab meinen Versuch auf und begann zu schlurzen.

Es gab keinen Ausweg aus dieser Lage. Ich würde den Rest meines Daseins als lebendes Geländer verbringen und Tag ein Tag aus auf diese hässliche Tapete starren müssen.
 

Zwei Stunden später hat mein Vater mich dann gefunden, verweint und aufgelöst.

Er wusste nicht ob er mich bemitleiden, oder mich auslachen sollte.

Im Bus...

Es wirken mit:
 

Eine Betonlandschaft,

Verfolgungswahn

und Graffitiblüten.
 

Die Luft im Bus ist stickig und der Verkehr in London, wie immer abscheulich.

Ich sitze an einem Fensterplatz im vorderen Bereich, neben mir eine ältere Dame, welche es sich vor ein paar Minuten dort bequem gemacht hat.

Sie hat diesen typischen Geruch nach zu viel Prafüm und Zigaretten an sich haften, welcher einem das Atmen erschwert. Ihre Haare sind kurz und grau. Ihre Kleider dagegen farbenfroh und viel zu jugendlich für ihr faltiges Gesicht. Mit ihren krallenartigen Händen, umklammert sie eine schwarze Handtasche, als wäre sie ihr kostbarster Besitz.

Ich rücke näher an das Fenster und lehne meine Stirn gegen die kühle Scheibe. Ich schließe die Augen und seufze leise auf. An der Bushaltestelle, packten mich plötzlich furchtbare Kopfschmerzen, welche durch den Sauerstoffmangel hier im Bus und dem markanten Geruch meiner Sitznachbarin nur noch gefördert worden sind.

Ich sollte wirklich versuchen länger zu schlafen. Den Lehern war bereits meine Unkonzentriertheit aufgefallen. Ich war jedoch davon überzeugt, dass sie lediglich meine dunklen Augenringe bemerkt hatten, dank denen ich aussah wie ein wandelnder Toter. Man hätte mir für meinen Geburtstag anstelle der Bücher eine neue Matratze kaufen sollen. Dann läge ich bequemer und würde auch gar nicht erst in Versuchung kommen, bis zwei Uhr morgens zu lesen.

Ich richte mich wieder auf. Miss 'Ich-bin-zwar-bereits-60-kleide-mich-aber-wie-mit-Mitte-20' wirft mir ständig verstohlene Blicke zu, als würde sie darauf warten, dass ich mich beim nächsten Halt auf sie stürzen und mit ihrer billig aussehenden Tasche davon nachen würde. Ich verdrehe die Augen. Im Alter befällt einige Leute wohl der Verfolgungswahn.

Ich wende mich wieder dem Fenster zu. Der Bus fährt durch eine Betonlandschaft.

Bürogebäude. Schandflecke in der sonst so blankgeputzten Stadt. Hier und da, blüht Graffity an den Wänden. Überquellende Mülleimer, verwaiste Bushaltehäuschen und mangelhaft gepflegte Grünfläschen runden das Bild noch ab.

Manchmal wünschte ich mir wirklich, ich würde auf dem Land leben, aber dann kommt mir wieder unser gemütliches Reihenhaus mit dem wild wucherndem Garten und dem windschiefen Dach in den Sinn und ich bin doch ganz froh darüber, ein Großstadtkind zu sein.

Der Bus bewegt sich nur schleichend vorwärts. Ich hätte zu Fuß gehen sollen, dann wäre ich schneller da gewesen. Als ich gerade darüber nachdachte, ob ich von nun an nicht vieleicht vom Bus auf meinen Drahtesel steigen sollte, trotz des gefährlichen Verkehrs, gab mein Handy einen Laut von sich.

Meine Sitznachbarin zuckte zusammen und sah mich vorwurfsvoll an. Als hätte sie noch nie eine Ente gehört. Ich ziehe das Handy aus meiner Hosentasche und sehe mir die Nachricht an.
 

„Wie wärs? Treffen wir uns morgen nach der Schule in der Milchbar?

Grace“
 

Die Milchbar, Zufluchtsort für alle gelangweilten Erwachsenen, genervten Teenager und verliebten Pärchen, der Umgebung. Außerdem machten sie das beste Pistazieneis der Welt. Einen besseren Treffpunkt gab es also nicht, wenn man davon absah, dass wir eigentlich unser Biologieprojekt fertig machen wollten und eine Bibliothek dafür geeigneter wäre.

Der Bus hielt zuckelnd an meiner Haltestelle und ich musste meine Antwort auf später verschieben. Ich räusperte mich einmal und sah die alte Dame erwartungsvoll an. Sie musterte mich einen Moment lang abschätzend, stand dann aber auf um mir den Weg freih zu machen. Natürlich nicht, ohne ihre Tasche an ihre Brust zu pressen und mich mit einem triumphierenden Blick anzusehen. Versteh einer die alten Leuten.

Wirrwar

Es wirken mit:
 

Farben,

Träume

und Teddybären
 

Rot. Blau. Grün. Gelb.

Farben, so viele Farben.

Die Ballons sind gigantisch. Ich habe noch nie in meinem Leben welche in solch einer Grösse gesehen. Sie schillern und leuchten in der Sonne.

Sie machen seltsame Geräusche, wenn sie anneinader reiben.

Ein Zischen, Flüstern, leises Gemurmel.

Sie scheinen unerreichbar.

Ein lauter Knall.

Sie platzen.

Einer nach dem anderen.

Mein Trommelfell scheint zu reissen, unter dem Gedonner der Ballons, welches sich anhört, wie ein Kanonenfeuer.

Ich klatsche die Hände auf meine Ohren und mache die Augen zu.

Es soll aufhören...

Es soll verdammt noch mal aufhören!

Plötzliche Stille.

Ich öffne die Augen.

Es ist dunkel, furchtbar dunkel.

Es ist keine gewöhnliche Dunkelheit. Keine Schwärze an welche man sich gewöhnt. Sie ist vollkommen. Ohne auch nur den kleinsten Funken eines Lichtes.

Dann wird alles weiss.

Ich schreihe auf, hocke mich auf den Boden und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen.

Meine Augen brennen.
 

Ich plumpse auf den Boden, meine Bettdecke um mich gewickelt wie eine Zwangsjacke.

Ein Traum, ein Albtraum.

Es war nur ein Albtraum.

Mir ist der kalte Schweiss ausgebrochen.

Ich hechele und habe Schwierigkeiten damit zu Atmen, als wäre ich gerade einen Maraton gelaufen.

Ich rappele mich auf, greife nach meinem Teddybären und drücken ihn fest an mich.

Es ist vorbei Sigu, du brauchst keine Angst mehr zu haben.

Ich ziehe meine Pijamahose hoch, welche mir etwas zu gross ist und klettere wieder in mein Bett. Ich würde jetzt so gerne zu Mamma und Papa gehen und bei ihnen schlafen, aber ich bin ja heute fünf geworden. In dem Alter bin ich für so etwas doch schon viel zu erwachsen.



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