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Frei

Das Theater schließt
von

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Die schwere Standuhr schlug zum zwölften Mal.

Pünktlich waren ihre Vorbereitungen abgeschlossen. Nun war sie endlich an der Reihe. Das wusste sie. Nie mehr Theater spielen.

Ihr Leben war ein Theater. Niemals war es wirklich sie, die Andere zu kennen glaubten, immer die Fassade, für alle zugänglich. Dahinter eine sorgsam aufgebaute Bleiwand. Abgedichtet, verschweißt, umschloss sie ihr wahres Wesen.

Seit ihrer Kindheit hatten Andere ihr Fragen gestellt, doch mit der Zeit hatte sie die Fassade mit einem Lächeln bemalt und guter Laune gestrichen. Je düsterer es in ihr wurde, desto mehr Wert legte sie auf ihr äußeres Strahlen. Selbst die Fenster zu ihrer Seele nagelte sie mit farbigen Kontaktlinsen zu.

Um das Theater überzeugend zu halten.

In letzter Zeit wurde es schwerer. Lange hätte sie es nicht mehr geschafft, doch das brauchte sie auch nicht mehr. Die Zeit des Theaters war um. Jegliche Zeit war beinahe um.

Sie betrat den dunklen Raum, in dem es geschehen würde. Sah sich um. Entzündete die Kerzen. Atmete tief durch, trotz des Rauches. Dann holte sie das Kleid, welches sie nur für diesen Anlass gemacht hatte, hervor.

Sie nähte oft Kleider.

Wenn sie ihre Kleider überstreifte, der wunderbare Stoff über ihre Haut glitt, konnte sie für einen Wimpernschlag so sein, wie alle Welt sie kannte. Sie konnte ihre Finsternis und ihre Gedanken zurücklassen, wie alte Kleidung. Als würde in ihrer Seele ein wärmendes Licht entzündet.

Doch jedes Licht erlischt, jeder Tag vergeht, jedes Leben endet. So muss sie zurückkehren, wenn die Zeit verstrichen ist, zurück zu ihrem Leben, zurück in die Dunkelheit, zurück zu sich selbst.

Heute nicht.

Sie kleidete sich in ihrem schönsten Gewand, streifte bedächtig jedes Kleidungsstück über. Sie war ganz ruhig. Die Zeit war gekommen. Alles war so bestimmt. Die Vorbereitungen waren abgeschlossen. Sie wusste, dass sie endlich gehen durfte.

Das weiße Kleid passte wunderbar zu ihrem flammenden Haar, welches in sanften Wellen bis zu ihrer Hüfte fiel.

Wie ein Wasserfall aus Blut.

Der verzierte Dolch glitt sanft über ihre Haut, hinterließ feine, rote Linien, welche im Kerzenschein glitzerten. Sachte verschlungen sie sich zu geheimnisvollen Mustern, denen eine grauenhafte Eleganz innewohnte.

Rote Tropfen ließen das Kleid aussehen, als wäre es mit Perlen bestickt.

Sie zog die antike Spieluhr auf, platzierte den alten, mit Ornamenten bedeckten Stuhl unter dem handgeknüpften Strick. Es waren getrocknete Blumen hinein geflochten.

Sie stellte sich auf den Stuhl. Auf der hölzernen Lehne balancierend legte sie sich die Schlinge um den Hals. Und als sie den Stuhl umstieß, hatte sie zum ersten Mal in ihrem Leben ein wirkliches, echtes Lächeln auf dem Gesicht.

Es dauerte nicht lange. Als der letzte Ton der Melodie verklang, gab ihr Körper sie endlich frei. Die letzte Maske fiel, der Vorhang senkte sich für immer herab. Das unnötige Spiel war vorbei. Und zum ersten Mal war sie tatsächlich glücklich, befreit von jedem Zwang, jeder Sorge und jedem Schatten auf ihrer Seele.

Glückseelig bis in alle Ewigkeit.

Selbst im Tode verlieh ihre Präsenz dem entsetzlichen Ort eine bizarre Schönheit.
 

Ihr Leben war nicht mehr greifbar, sie war kein Teil dieser Welt mehr. Doch war sie es je wirklich gewesen?



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Kaylien
2013-11-15T19:03:14+00:00 15.11.2013 20:03
Kein Hellokitty :_: na, so is aber noch viiiel besser xDDD
Nee, im ernst:
Ich find die Geschichte super! Mir gefällt dein Schreibstil wahnsinnig gut! Auch bei allen anderen Geschichten! *__*
mach weiter so :3
LG
Kay
Antwort von:  MrsPsychoChaos
15.11.2013 21:19
Ooooh, dankeschön! *erröt*
Das bedeutet mir echt viel. Hab versucht, die Tipps umzusetzen. Danke!
Werde ich :D
Antwort von:  Kaylien
15.11.2013 21:49
Bitte :3 immer wieder gerne :3


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