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Burning in the Skies

von

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Prolog

Sanft fielen die Sonnenstrahlen durch das Fenster und kitzelten mich an der Nase. Müde rieb ich mir über meine Augen und streckte mich. Gähnend hielt ich mir die Hand vor meinen Mund und öffnete meine Augen. Mein Blick glitt zu meinem Wecker, der gerade einmal acht Uhr anzeigte. Seufzend erhob ich mich von meinem Bett und ging in das angrenzende Bad, um mir etwas kühles Wasser ins Gesicht zu spritzen. Müde blickte ich in den Spiegel und betrachtete mich, bevor ich mir das kühle Nass ins Gesicht spritzte und ich sogleich etwas wacher wurde.

Nachdem ich mir meine Zähne geputzt und mich fertig angezogen hatte, verließ ich mein Zimmer und begab mich in das untere Stockwerk, in dem sich Wohnzimmer und Küche befanden. Meine Eltern waren im Moment nicht Zuhause, sodass sich nur meine jüngere Schwester, unser Hausmädchen und der Gärtner hier befinden müssten. Als ich die Küche betrat, wurde ich von einer lächelnden Martha begrüßt.

»Guten Morgen, Miss Peters«, sagte sie.

Martha war bereits seit 14 Jahren unser Hausmädchen. Sie kümmerte sich um alles, was das Hausinnere betraf. Sie ging Einkaufen und kümmerte sich auch ab und an um das Essen, wenn meine Eltern nicht Zuhause waren. Normalerweise kochte meine Mutter für uns, doch zurzeit war sie mit meinem Vater bei einem gemeinsamen Film-Dreh in Los Angeles.

»Können Sie mich nicht endlich bei meinem Vornamen nennen, Martha?«, hakte ich etwas genervt nach. Ich hasste es, wenn man mich mit meinem Nachnamen ansprach und unsere Angestellten taten es leider viel zu oft.

Martha verbeugte sich leicht vor mir und bat um Entschuldigung. »Wie Sie wünschen, Marley.«

Zufrieden setzte ich mich an den bereits gedeckten Tisch und schnappte mir ein Brötchen, welches ich mit Marmelade beschmierte. Genüsslich biss ich davon ab und schaute Martha dabei zu, wie sie die Küche wieder auf Vordermann brachte.

Martha war eine zierliche Frau, im Alter von 40 Jahren. Sie hatte schwarze Haare, die ihr lockig über die Schultern fielen. Sie war sehr liebenswert, aber ich fand, dass sie sich ihren Job etwas zu sehr ans Herz legte. Sie kümmerte sich rührend um mich und meine Schwester - so, als wären wir ihre eigenen Kinder.

»Steht heute noch etwas an?«, fragte ich beiläufig und Martha stoppte kurz in ihrer Bewegung.

»Nein, heute liegt nichts an. Wollen Sie sich heute nicht noch einmal ausruhen, bevor morgen die Schule wieder los geht?«, stellte sie als Gegenfrage und blickte mich eindringlich an.

Genervt schloss ich kurz meine Augen. Ich hatte ganz vergessen, dass morgen die Schule wieder begann. Es war das erste Mal, dass meine Schwester Emily und ich einmal ohne unsere Eltern das neue Schuljahr in Angriff nahmen. Unsere Eltern hatten sich immer sehr bemüht, an solchen Tagen an unserer Seite zu sein, doch das würde dieses Mal wohl nicht klappen.

»Oh Gott, mussten Sie mich daran erinnern? Jetzt ist mein ganzer Tag versaut!«, seufzte ich und nahm das letzte Stück Brötchen in den Mund. Kauend erhob ich mich von meinem Stuhl und verließ ohne weiteres die Küche.

Ich trat hinaus in den Garten. Als ich mich auf die Sonnenliege schmiss, sah ich aus dem Augenwinkel heraus, dass Jack - unser Gärtner - auf mich zu kam.

»Guten Morgen, Marley. Schon so früh wach?«, fragte er grinsend.

Ich grinste zurück. Jack war erst seit einem Jahr bei uns als Gärtner angestellt, aber mit ihm verstand ich mich am besten. Er hatte kurze, braune Haare und grün/graue Augen. Er war recht schlank und machte auch sonst keine schlechte Figur. Er war 10 Jahre älter als ich, demnach 27 Jahre alt.

»Konnte nicht mehr schlafen«, erwiderte ich schulterzuckend.

Jack setzte sich einen Augenblick zu mir. »Emily schläft noch?«

Nickend wandte ich mich von ihm ab und betrachtete den Himmel. Einzelne Wolken waren zu sehen, doch ansonsten sah es sehr friedlich aus. Nichts hatte den Anschein darauf, dass sich in Kürze ein Unwetter ankündigen würde. Nur am Rande nahm ich wahr, dass Jack sich wieder an die Arbeit machte.

Ich nahm mir meine Kopfhörer und schaltete meinen MP3-Player an. Ich konnte einfach am besten mit Musik entspannen. Immerhin hatte ich nur noch wenig Zeit, um die Ruhe zu genießen, bevor Emily aufstand und mir wieder auf die Nerven ging. Ich liebte meine Schwester, aber mit ihrer Art ging sie mir recht schnell auf den Keks. Auch bei meinen Freundinnen kam sie mit diesem Verhalten nicht gut an, weshalb sie mich kaum noch Zuhause besuchten, sondern wir uns mehr in der Stadt trafen, um gemeinsam etwas zu unternehmen.

Morgen würde ich mein letztes Jahr in der Schule antreten, bevor auch mich das Erwachsenenleben in Beschlag nehmen würde. Ich hatte bereits jetzt schon keine Lust darauf, aber so war nun mal das Leben. Hart und ungerecht. Noch immer wusste ich nicht, was ich nach der Schule machen sollte. Mir fehlte einfach jegliche Motivation. Meine Eltern waren beide Schauspieler. Ob ich das Zeug hatte, diesen Beruf ebenfalls auszuüben? Wohl eher nicht… Schauspielerei gehörte nun wirklich nicht zu meinen Stärken.

Seufzend beobachtete ich Jack dabei, wie er gerade eine Hecke zurecht schnitt und sich Schweiß von der Stirn wischte. Bei diesem Anblick schlug mein Herz etwas schneller gegen meine Brust. Schon seit einiger Zeit fand ich Jack einfach anziehend, doch wie sagte meine Mutter immer: Das Personal ist tabu! Um auf andere Gedanken zu kommen, drehte ich die Musik lauter und schloss meine Augen.

Kurze Zeit später war ich auch schon im Land der Träume angekommen.

 

*

 

»Aufwachen! Hey Marley, wach auf!«

Laut schrie mir meine Schwester ins Ohr. Erschrocken riss ich meine Augen auf und schlug mit meiner geballten Faust nach Emily. Diese wich jedoch gekonnt aus und grinste mich an.

»Na? Auch mal wach? Es ist bereits 11 Uhr«, sagte sie.

Ich verdrehte genervt meine Augen. »Im Gegensatz zu dir war ich auch schon früh auf den Beinen!«

Ihr Grinsen wurde eine Spur breiter.

»Hast du Jack wieder angeschmachtet?«, fragte sie spitzbübisch und schaute mich an.

Stöhnend erhob ich mich von der Sonnenliege und betrat das Haus, gefolgt von Emily. Diese rannte mir sofort fröhlich hinterher.

»Ich weiß, dass du es wieder getan hast, Schwesterherz. Mama wird das gar nicht gefallen, wenn sie das herausfindet«, sagte sie in einem ernsteren Ton.

»Was willst du, Emily?«

Emily hatte die starke Angewohnheit, Dinge gegen einen zu verwenden, wenn sie etwas wollte. Für ihre 14 Jahre war sie bereits jetzt schon sehr klug, aber auch sehr verwöhnt. Ansonsten war sie wirklich ein Engel auf Erden. Sie hatte lange blonde Haare, die ihr bis zur Brust gingen. Ihre Augen waren in solch einem intensiven blau, dass man Angst haben musste, sich in ihnen zu verlieren. Sie hatte die gleichen Augen wie unser Vater.

»Mama und Papa werden erst in drei Wochen wieder hier sein und morgen beginnt die Schule wieder«, erklärte sie.

»Ja und weiter? Wozu brauchst du mich denn?«, hakte ich mit hochgezogener Augenbraue nach.

»Du könntest in dieser Zeit, in denen Mama und Papa nicht da sind, mich und meine Freundinnen doch zur Schule fahren. Wenn du das nicht tust, würde ich Mama alles erzählen, dass du auf Jack stehst.« Grinsend stand meine kleine Schwester vor mir.

Ich kochte vor Wut. Unbewusst ballte ich meine Hände zu Fäusten. Schnaufend stimmte ich ihrem Angebot zu. Besser so, als wenn meine Mutter herausfand, dass ich auf Jack irgendwie stand. Sonst würde sie ihn wohlmöglich noch entlassen und das wollte ich auf keinen Fall.

»Gut, ich fahre euch die nächsten drei Wochen zur Schule«, knurrte ich leise, woraufhin Emily mich kurz gut gelaunt umarmte und dann davon stürmte.

Genervt fuhr ich mir durch meine Haare und seufzte. Na das konnten ja schöne drei Wochen werden!

 

Der restliche Tag war wie im Flug vergangen. Emily und ich saßen gerade beim Abendbrot, während Martha noch unsere Brote für den morgigen Tag schmierte. Lächelnd schaute ich ihr dabei zu.

»Und Schwesterherz, bist du schon nervös wegen morgen?«, fragte Emily und nahm noch einen Löffel von ihrer Suppe.

Schulterzuckend trank ich meinen Kakao mit einem Zug aus.

»Wieso sollte ich? Es ist nichts anders, als letztes Jahr«, erwiderte ich.

Martha trat zu uns an den Tisch. »So Mädels, ich glaube, es ist Zeit fürs Bett. Morgen früh müssen Sie früh aus den Federn.«

Nickend aß Emily ihre Suppe zu Ende und rannte die Treppen hinauf.

»Schlaf gut, Martha«, sagte ich noch, bevor auch ich mich auf den Weg nach oben machte.

Im oberen Stockwerk befanden sich die Schlafzimmer. Jedes Schlafzimmer hatte ein eigenes Bad, damit wir uns nicht gegenseitig auf die Nerven gingen. Ich fand es sehr praktisch, denn dann gab es gleichzeitig zwei Räume, in denen ich mich zurückziehen konnte, ohne dass mich meine Schwester stören konnte.

Nachdem ich mich im Bad fertig gemacht hatte, legte ich mich ins Bett und stellte den Wecker für den morgigen Tag. Müde schloss ich meine Augen und schlief kurze Zeit später ein.

Die Bitte des Direktors

Der nächste Morgen brach an und verlief recht problemlos. Meine Schwester und ich saßen gerade im Auto und waren auf dem Weg zu Natalie und Sophia. Die beiden waren die besten Freundinnen meiner Schwester und ich nicht wollte, dass Emily meinen Eltern erzählte, dass ich etwas mehr für unseren Gärtner empfand, war ich dazu gezwungen mein Versprechen einzuhalten. Somit musste ich für drei ganze Wochen die drei zur Schule fahren.

Seufzend schaltete ich in den nächsten Gang und blickte Emily durch den Rückspiegel an. Diese war mal wieder nur mit ihrem Handy beschäftigt. Typisch Teenager!

Einige Minuten später hatten wir Natalie und Sophie eingesammelt und machten uns auf den Weg in die Schule. Da es erst halb 8 war, hatten wir noch genügend Zeit, um zur Schule zu kommen. Nach einigen Minuten parkte ich das Auto auf dem Schulparkplatz, schnallte mich ab und drehte mich zu meinen Begleiterinnen um.

»So Mädels, die Taxifahrt ist zu Ende. Wir sehen uns dann pünktlich um 12 Uhr wieder hier, alles klar?« Mein Blick glitt über die hintere Sitzreihe und ich bekam von jedem ein Nicken als Antwort. Besonders viel geredet hatten die beiden noch nie mit mir.

Die drei stiegen aus und schlugen die Tür zu. Nachdem auch ich ausgestiegen war, schloss ich das Auto ab und verstaute den Schlüssel in meiner Tasche. Etwas nervös betrat ich das Schulgebäude und erblickte sogleich meine beste Freundin Kimberly. Als sie mich sah, zauberte sich ein Lächeln auf ihre Lippen und sie winkte mich zu sich. Nachdem ich bei ihr angekommen war, nahm ich sie in meine Arme.

»Ich hab dich vermisst, auch wenn es nur eine Woche war, die wir uns nicht gesehen haben…«, murmelte ich.

Lächelnd entfernte sie sich etwas von mir, um mir in die Augen zu sehen. »Ich hab dich auch vermisst, Süße!«

»Hey, ich will auch mit kuscheln!«

Eine weitere Stimme ertönte hinter uns und Mia tauchte auf. Grinsend schaute ich ihr dabei zu, wie sie auf uns zu gerannt kam und uns stürmisch in ihre Arme schloss.

»Endlich sind wir wieder vereint, Mädels«, kam es von Mia.

»Oh ja«, erwiderte ich und löste mich etwas aus ihrem Griff. Lächelnd schaute ich mir meine besten Freundinnen etwas genauer an. Beide hatten etwas an Farbe zugenommen. Sie waren braun geworden. Mia hatte sich ihre blonden Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden. Ihre Schuluniform saß perfekt an ihrem schlanken Körper. Kimberly trug ihre schwarzen Haare offen, die ihr lockig über die Schultern fielen. Ebenfalls trug sie die Schuluniform unserer Schule, welches aus einem Rock, einem Blazer und dazugehöriger Bluse bestand. Alles war in schwarz gehalten worden, außer das Logo unserer Schule, welches auf dem Blazer seinen Platz gefunden hatte. Es war Orange in Form eines Falken, darunter stand der Name unserer Schule.

Die Schulglocke ertönte. Gemeinsam gingen wir in unseren Klassenraum. Kim, Mia und ich waren wieder in einer Klasse und setzten uns wie jedes Jahr in die hinterste Reihe. Jedes Jahr aufs Neue besetzten wir diese und keiner der anderen Schüler hatte etwas dagegen gehabt.

»Habt ihr schon gehört, dass wir einen neuen Lehrer bekommen sollen?«, fragte Mia.

Schulterzuckend lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück und schaute auf die Uhr. »Tja, dann wird er bereits am 1. Tag zu spät sein.«

In diesem Moment betrat ein junger Mann den Raum. Er hatte schwarze Haare, die ihm wild ins Gesicht hingen, eine schlanke Figur und braune Augen. Es sah so aus, als hätte er die Augen eines Falken, denn diese durchbohrten mich wie Messerstiche. Augenblicklich wurde mein Körper von einer Welle Gänsehaut überzogen und es wurde Mucksmäuschenstill im Raum. Noch immer lag sein Blick auf mir, doch ich ließ mich nicht unterkriegen und schaute ihm weiterhin fest in die Augen. Grinsend wandte er sich ab und setzte sich auf den Lehrerpult.

»Mein Name ist Smith. Wir werden dieses Jahr Mathematik und Sport zusammen haben. Außerdem werde ich auch die Stelle des Klassenlehrers übernehmen, da Frau Tanaka leider verhindert ist«, sprach er ruhig mit tiefer Stimme.

Allgemeines Stöhnen ging durch die Runde. Die Mädchen allerdings schwärmten bereits jetzt schon für Herr Smith. Genervt verdrehte ich meine Augen und blickte nach links zu Kimberly. Diese schauten verträumt ebenfalls zu unserem neuen Klassenlehrer. Auf sie konnte ich also nicht zählen, sie war ihm bereits verfallen. Nun wanderte mein Blick nach rechts zu Mia und wurde erneut enttäuscht. Auch Mia war begeistert von ihm. Was fanden die bloß an dem?

»Ich bin dafür, dass wir uns einmal alle vorstellen, damit ich mir eure Namen besser merken kann«, ertönte erneut die Stimme von Herr Smith.

Seufzend schloss ich meine Augen. Wie ich neue Schuljahre doch hasste!

 

Eine Stunde war bereits vergangen. Ich hatte erschöpft meinen Kopf auf die Tischplatte gelegt. Noch immer waren die anderen nicht fertig damit, sich vorzustellen. Immer wieder kamen Fragen dazwischen, die an Herrn Smith gerichtet waren, die er brav beantwortete. Die Mädchen himmelten ihn an.

»So und nun kommen wir zur letzten Schülerin«, sagte er und blickte mich an. Ich spürte förmlich seine scharfen Augen auf meinem Körper. Genervt hob ich meinen Kopf.

»Marley, 17 Jahre alt«, sagte ich und lehnte mich erneut in meinem Stuhl zurück.

Grinsend erhob Herr Smith sich und drehte sich zur Tafel. Er schrieb etwas darauf und drehte sich wieder um. »Dann beginnen wir mit dem Unterricht. Wer kann mir das Ergebnis dieser Aufgabe nennen?«

 
 

*
 

»Herr Smith ist so cool!«

Kimberlys Stimme holte mich aus meinen Gedanken. Wir saßen auf dem Schulhof auf unserem Stammplatz unter einem Baum. Hinter uns war ein Sportplatz, auf dem man Fußball und Basketball spielen konnte.

»Was findet ihr alle an dem? Er ist nur ein stinknormaler Lehrer«, erwiderte ich.

»Aber er ist verdammt heiß!«, schwärmte Mia.

Ich verdrehte meine Augen. »Trotzdem ist er nur ein Lehrer.«

»Du leugnest also nicht, dass du ihn heiß findest?« Grinsend fixierten mich Kim’s Augen.

»Ich finde ihn nicht heiß, verdammt«, murrte ich. So langsam ging mir das alles auf die Nerven. Ich erhob mich und streckte mich kurz.

»Hey, wo willst du hin?«, hörte ich die fragende Stimme von Mia.

»Ich brauch mal einen Moment Ruhe, sorry.«

Somit verließ ich den Platz und begab mich zurück in das Schulgebäude. Zufällig kam ich am Lehrerzimmer vorbei, aus dem Herr Smith mit dem Schulleiter heraustrat.

»Oh, hey Marley!«, sagte Herr Smith lächelnd.

Ich blieb stehen und schaute ihn fragend an.

»Ah, Frau Peters, schön Sie zu sehen. Könnten Sie uns einen Gefallen tun?«, fragte mich der Direktor.

»Um was geht es denn?«

»Nun ja, deine Klassenkameradin war heute nicht in der Schule. Es wäre schön, wenn du ihr die Unterlagen vorbei bringen könntest«, sagte er.

Seufzend stimmte ich seiner Bitte zu. Nachdem unser Direktor wieder im Lehrerzimmer verschwunden war, wollte ich mich auf den Weg ins Klassenzimmer machen, wurde aber von Herrn Smith aufgehalten.

»Ich hoffe, du kennst dich in der Gegend aus. Dort ist die verbotene Schule, dort sind nur Verbrecher an der Schule«, sagte er mit besorgter Stimme.

Schulterzuckend lief ich weiter. »Wird schon gut gehen.«

Als ich das Klassenzimmer betrat, setzte ich mich auf meinen Stuhl und wartete dort auf meine Freundinnen. Ich war bisher die einzige im Raum.

»Da bist du ja!«, kam es von Mia, die mich mit besorgtem Blick musterte.

»Wo warst du denn, Marley?«, fragte auch Kimberly. Die beiden hatten sich wohl Sorgen gemacht.

»Ich war im Lehrerzimmer und habe direkt eine Extraaufgabe vom Direktor bekommen. Ich soll Chantal die Unterlagen bringen«, antwortete ich.

»Was? Chantal? Aber sie wohnt doch in dem gefährlichen Viertel«, kam es aufgeregt von Mia.

»Ja und? Mir wird schon nichts passieren«, gab ich zurück.

»Ich hoffe, du verläufst dich nicht und kommst nicht in die Nähe der verbotenen Schule. Hoffentlich begegnest du nicht Alex«, sagte Kimberly.

Fragend zog ich eine Augenbraue in die Luft. Warum wussten alle, außer mir, von dieser Schule?

»Wer zum Teufel ist Alex?!«

»Alex ist quasi der Anführer der Schule. Alle hören auf sein Kommando. Selbst die Lehrer trauen sich nicht, etwas gegen ihn zu unternehmen. Er hat die komplette Macht über die Schule«, erklärte Mia.

Lächelnd blickte ich meinen Freundinnen in die Augen.

»Es wird schon alles gut gehen.«

Retter in der Not

Nachdem endlich der erlösende Ton erklang, packte ich gedankenverloren meine Sachen zusammen und erhob mich. Schnell hatte ich mich von Kim und Mia verabschiedet und machte mich auf den Weg zu meinem Auto. Als ich auf den Parkplatz trat, sah ich von weitem bereits Emily und ihre Freundinnen. Seufzend entschied ich mich dazu, die drei nach Hause zu fahren und mich dann auf den Weg zu Chantal zu machen. Kim und Mia hatten mir in der 2. Pause noch erzählt, dass man ihr Viertel nur mit dem Zug erreichen konnte und ein kleines Stück zu Fuß zurücklegen musste. Da musste ich wohl oder übel durch, wenn ich keinen Ärger mit dem Direktor haben wollte.

»Da bist du ja, Schwesterherz«, kam es von Emily, als ich endlich am Auto angekommen war. Nickend öffnete ich mein Auto und ließ die drei einsteigen.

»Ich fahre euch nach Hause und gehe dann noch etwas erledigen«, sagte ich beiläufig und schaltete den Wagen an.

Misstrauisch schaute meine Schwester mich an, sagte jedoch nichts dazu, was mir ehrlich gesagt auch lieber war. Ich würde ihr später alles erklären, wenn ich es hinter mich gebracht hatte. Durch die Erzählungen von meinen Freundinnen hatte ich schon ein klein wenig Angst, dass etwas passieren könnte. Seufzend konzentrierte ich mich auf die Straße und brachte erst Sophie und dann Natalie und meine Schwester in die Villa. Natalie würde den Nachmittag mit Emily verbringen, da ich einige Zeit nicht da sein würde.

Nachdem wir in der Villa angekommen waren, ging ich in mein Zimmer, um die Schuluniform endlich loszuwerden. Schnell hatte ich mir einen Rock und ein Top geschnappt und begab mich ins angrenzende Badezimmer. Als ich fertig war, suchte ich mir noch passende Sandalen heraus und ich war fertig zum Aufbrechen. Noch einmal blickte ich in den Spiegel, ob alles richtig saß und atmete noch einmal tief durch, bevor ich mich nach unten begab und Martha Bescheid sagte, dass ich noch einmal unterwegs war. Diese nahm es nickend zur Kenntnis und kümmerte sich um meine Schwester und deren Freundin.

 

*

 

Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend stieg ich aus dem Zug aus und verließ das Bahnhofsgelände. In der Hand hielt ich einen Zettel, auf dem stand, welchen Weg ich gehen sollte. Ich kam an einem ziemlich verwahrlosten Park vorbei. Der Gestank, der von diesem ausging, ließ mich die Nase rümpfen. Mit schnellen Schritten lief ich an diesem vorbei, die Straße weiter gerade aus. Mein Blick glitt wieder auf den Zettel. Es würden also nur noch ein paar Straßen sein, dann wäre ich bei Chantal. Erleichtert atmete ich aus.

Als ich um die nächste Ecke bog, sah ich am anderen Ende der Straße eine Gruppe von Teenagern. Diese bestand aus drei Jungs, die eine Schuluniform trugen. Allerdings kannte ich das Logo darauf nicht. Mein Puls beschleunigte sich etwas und mir wurde leicht schlecht. Ich hatte Angst. Ohne mir etwas anmerken zu lassen, wollte ich an der Gruppe vorbei gehen, doch wurde ich grob am Handgelenk gepackt. Es ging alles sehr schnell, denn im nächsten Moment befand ich mich an eine Hauswand gedrückt. Vor mir stand einer der Jungs, der links und rechts seine Arme an der Wand abgestützt hatte. Ein Entkommen war also zwecklos.

»Na, wen haben wir denn da? Hab dich hier noch nie gesehen, Kleine.« Seine Stimme war eiskalt. Völlig ohne Emotionen. Eine Gänsehaut breitete sich über meinem Rücken aus. Was sollte ich jetzt tun? Ich saß in der Klemme. Gedanken rasten in Sekundenschnelle durch meinen Kopf, doch ich kam einfach auf keine Lösung.

»Hat’s dir die Sprache verschlagen, Süße?« Erneut trat seine Stimme an meine Ohren. Seine Augen wanderten über meinen Körper und er pfiff leicht anerkennend. Mir wurde schlecht.

»Lass mich in Ruhe!«, fauchte ich, nachdem ich endlich meine Stimme wieder gefunden hatte. Ob das alles so eine gute Idee gewesen war, konnte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht wirklich sagen.

Belustigt blitzten seine Augen auf. »Du bist wirklich süß, Kleine. Weißt du denn nicht, wer ich bin?«, fragte er und strich mir mit seiner Hand über meine Wange. Reflexartig drehte ich meinen Kopf zur Seite. »Fass mich nicht an!«, knurrte ich und funkelte ihn wütend an.

Einer der anderen Jungs, die sich im Hintergrund aufhielten, begann zu lachen. »Hey, Carlos, die Kleine hat echt Mut.« Nickend nahm der Junge vor mir mein Kinn zwischen seine Finger und drehte meinen Kopf zurück, sodass ich ihm in die Augen sehen musste. Seine blauen Augen fixierten mich. Auf seinen Lippen lag ein gemeines Grinsen, was mich nur noch mehr wütend machte. Was wollten diese Typen von mir?

»Ich glaube, wir haben mit dir viel Spaß. Ich liebe es, wenn Frauen sich auch mal wehren«, sagte er und begann zu lachen. Auf meinem Körper bildete sich eine Gänsehaut und ich begann unbewusst zu zittern. Die Angst kroch in meine Knochen und ich hatte das Gefühl, mich nicht mehr bewegen zu können. Im nächsten Moment fuhr ein Ruck durch meinen Körper und ich kniff meine Augen zusammen. Carlos, so hieß der Typ vor mir, hatte mich am Handgelenk gepackt und zerrte mich mit sich.

»Wo bringt ihr mich hin? Lasst mich verdammt nochmal gehen!«, schrie ich, als mir im nächsten Moment der Mund zugehalten wurde. »Hör auf zu schreien, Miststück«, kam es von dem anderen Jungen.

Einige Schritte später kamen wir in dem verwahrlosten Park von vorhin an. Unsanft wurde ich auf die Bank gedrückt. Links und rechts hatten sich nun die anderen beiden positioniert und hielten mich jeweils links und rechts an den Armen fest. Wütend schaute ich Carlos an, der wohl sowas wie der Anführer der Gruppe zu sein schien.

»Was wollt ihr von mir?«

Grinsend kniete sich Carlos vor mich. »Sagte ich doch schon…«, hauchte er und strich mir erneut über meine Wange. »Wir wollen ein bisschen Spaß haben.«

Unbewusst begann ich erneut zu zittern. Was wollten die mit mir anstellen? Und wieso verdammt passierte ausgerechnet mir das?

Langsam bildeten sich Tränen in meinen Augen, die ich erfolgreich weg blinzelte. Ich darf jetzt nicht schwach sein!

Carlos erhob sich etwas und beugte sich zu mir herunter. »Keine Angst, es wird dir gefallen«, hauchte er in mein Ohr und begann mich dort zu küssen.

Ich riss meine Augen auf, versuchte mich aus den Griffen der beiden Jungen zu befreien, doch die beiden waren einfach zu stark. Tränen flossen über meine Wangen, mir wurde so extrem schlecht, dass ich das Gefühl hatte, mich gleich übergeben zu müssen. »Hör auf…«, flehte ich ihn an, doch er fuhr nur grinsend fort. Er küsste meinen Hals.

»Hör auf!«, schrie ich so laut ich konnte und trat ihm mit meinem Bein in seine intimste Stelle. Mit einem lauten Schrei ließ er von mir ab und kniete sich unter Schmerzen auf den Boden. Wütend funkelte er mich an. »Na warte, das wirst du bereuen!«, knurrte er.

Als er sich wieder erhob und sich auf mich stürzen wollte, flog er plötzlich nach hinten auf den Boden. Scheinbar hatte ihn etwas am Kopf getroffen.

»Wer wagt es, mich bei meinem Mittagsschlaf zu stören?!«, hörte ich eine männliche Stimme, die etwas weiter weg war. Mein Blick huschte nach rechts. Dort stand eine weitere Bank, auf der ein weiterer Junge auf der Bank saß. Er sah ziemlich genervt aus, aber ich war in dem Moment einfach froh, dass er mir half.

Wütend stand Carlos auf und funkelte den unbekannten Jungen an. »Was mischst du dich hier ein, Alex?!«, brüllte er los.

Ich zuckte kurz zusammen. Ausgerechnet ihm musste ich jetzt auch noch begegnen!

»Los, Jungs, machen wir ihn fertig!«, kam es nun von Carlos. Im nächsten Moment ließen die beiden anderen Jungs mich los und stürmten zusammen mit Carlos auf Alex zu. Ich war nicht im Stande dazu mich zu bewegen. Zu tief saß noch der Schock von dem bereits Geschehenen. Alex wich den Schlägen gekonnt aus, verpasste Carlos einen gezielten Schlag in den Magen, sodass dieser sich erneut auf den Boden kniete und seinen Bauch vor Schmerzen hielt.

»C-Carlos! Lass uns abhauen!«, stammelte einer der Jungs und lief bereits etwas weg von Alex. Die beiden schienen große Angst vor ihm zu haben, doch Carlos spuckte nur kurz auf den Boden und erhob sich wieder. »Dann verpisst euch doch, ich kläre das hier auf meine Art!«, sagte er und zückte ein Messer.

Mir stockte der Atem. Ich verkrampfte mich schlagartig. Ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte. Ich schaute Alex in die Augen und bemerkte, dass er grinsend vor ihm stand. Unbeeindruckt von der ganzen Situation sprach er: »Willst du in den Knast kommen? Waffenbesitz ist illegal, Junge.«

Wütend knurrte Carlos und lief auf ihn zu. »Das ist mir sowas von egal!«

Im nächsten Moment stach er auf Alex ein, doch dieser hatte schnell reagiert. Mit seiner rechten Hand hatte er gegen Carlos‘ Handgelenk geschlagen, sodass diesem das Messer aus der Hand flog. Im selben Moment trat Alex ihm mit solch einer Wucht erneut gegen den Bauch, dass der Teenager sofort wieder zu Boden ging. Blut trat aus seinem Mund.

»Du solltest dich lieber nicht mit mir anlegen«, kam es nun von Alex, der in der Zwischenzeit das Messer an sich genommen hatte.

Fassungslos schaute ich dem Schauspiel zu. Alex hatte diesen Typen einfach ohne Probleme abgewehrt!

Hustend krümmte Carlos sich auf dem Boden. Von seinen Kumpels war keine Spur mehr zu sehen.

»Und nun verschwinde, du Abschaum«, sagte Alex mit solch einer kalten Stimme, die mir Gänsehaut über den Rücken jagte. Kaum zwei Sekunden später hatte sich Carlos wieder aufgerappelt und rannte aus dem Park. Alex seufzte kurz auf und blickte mich dann an.

Ich zuckte kurz zusammen, denn sein Blick schien mich zu durchbohren. »Alles okay bei dir?«, fragte er mich.

Perplex über diese Frage brachte ich nur ein stummes Nicken zustande.

Plötzlich kam er auf mich zu und ich bekam wieder ein ungutes Gefühl. Ich hatte gerade gesehen, was er alles drauf hatte. Er hatte nicht einmal Angst davor gehabt, von einem Messer getroffen zu werden. Dieser Junge war einfach unglaublich stark! Was würde er jetzt mit mir anstellen? Erneut beschleunigte sich mein Puls um das Doppelte und ich kniff kurz meine Augen zusammen. Als ich diese wieder öffnete, stand Alex vor mir und hielt einen Apfel in der Hand. Wo kam der denn jetzt her?

»D-Danke für deine Hilfe«, brachte ich leise hervor.

Sein Blick traf erneut auf mich. »Du brauchst dich nicht zu bedanken. Die Kerle haben meinen Mittagsschlaf gestört. Glaub ja nicht, dass ich das deinetwegen getan habe.«

Er warf den Apfel in den Müll, der neben meiner Bank stand. Verwirrt über seine Worte und seiner Tat schaute ich ihm dabei zu, wie er sich wieder auf die andere Bank legte und die Augen schloss.

Er hat den Apfel wegen mir weg schmeißen müssen…

Ich beschloss noch einmal zu ihm zu gehen. »Kannst du mir sagen, wie ich hier wieder raus finde?«, fragte ich vorsichtig.

Er öffnete genervt eines seiner Augen und blickte mich an. »Wenn du mir dann nicht mehr auf die Nerven gehst. Geh einfach den Weg entlang und hinten biegst du rechts ab, dann kommst du wieder auf die Hauptstraße. Wenn du noch einmal solchen Typen begegnest, schau ihnen nicht in die Augen und ignoriere sie. Dann wirst du sicher an dein Ziel ankommen.«

Nickend drehte ich mich auf dem Absatz um und rannte den besagten Weg entlang. Als ich auf der Hauptstraße ankam, machte ich mich schnell auf den Weg in ein Einkaufszentrum, welches in der Nähe war. Ich kaufte einen Apfel. Er sagte zwar, dass er es nicht wegen mir getan hatte, aber ich war ihm dennoch dankbar für seine Hilfe. Nachdem ich an der Kasse bezahlt hatte, rannte ich den Weg wieder zurück und kam außer Puste im Park an. Doch es war niemand mehr zu sehen. Alex war verschwunden…

Geständnis

Nachdem ich die Unterlagen schnell bei Chantal ablieferte, wollte ich nur noch auf schnellstem Wege nach Hause. Als ich endlich unbeschadet am Bahnhof ankam, atmete ich erleichtert auf. In der Hand hielt ich krampfhaft den Apfel. Ich wollte ihn nicht verlieren, denn ich musste ihn seinem Besitzer bringen. Das war ich Alex einfach schuldig.

Nach einigen Minuten hielt der Zug im Bahngleis, in dem ich schnell einstieg. Das Ticket zeigte ich dem Mitarbeiter der Bahn und setzte mich dann auf einen freien Platz. Meine Stirn legte ich gegen die kühle Scheibe und ich schloss für einen kurzen Moment meine Augen. Meine Gedanken schweiften zu Alex. Zu dem Jungen, der mir geholfen hatte. Vor dem alle Angst haben. Wieso hatte er mir geholfen? Ich muss ihn wieder sehen! Und wenn ich dafür zur verbotenen Schule muss!

Der Entschluss war gefasst und ich würde alles daran setzen, diesen in die Tat umzusetzen. Ich öffnete wieder meine Augen. Ich hatte nur noch zwei Stationen vor mir. Wenige Minuten später war ich an meinem Ziel angekommen. Am Hauptbahnhof hatte ich mein Auto geparkt, somit konnte ich direkt nach Hause fahren.

Ich parkte mein Auto in unserer Garage, stieg aus und betrat müde und geschlaucht die Eingangshalle unserer Villa. Sofort kam Emily auf mich zugestürmt und schloss mich in ihre Arme. Lächelnd legte auch ich meine Arme um sie.

»Wo warst du denn so lange? Du hast sogar das Essen verpasst!«

In diesem Moment machte sich mein Magen lautstark bemerkbar. Lächelnd strich ich meiner Schwester kurz über den Kopf. »Dann sollte ich das Essen wohl schnellstmöglich nachholen!«

Ich schritt an Emily vorbei und betrat die Küche, in der Martha bereits auf mich wartete.

»Guten Abend, Marley. Ich werde sofort Ihre Portion fertig machen. Setzen Sie sich ruhig«, kam es fürsorglich von der älteren Dame.

Lächelnd nickte ich und setzte mich an den Tisch. Emily setzte sich neben mich und schaute mich noch immer fragend an.

»Ich war bei Chantal. Ich sollte ihr einige Unterlagen vorbei bringen.«

Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Emily einen Schmollmund formte. Fragend blickte ich sie an.

»Wieso hast du nicht Bescheid gesagt? Ich wäre gerne mit gekommen, denn dann hätte ich vielleicht mal die Chance gehabt, diesen Alex kennenzulernen!«, kam es beleidigt von dieser.

Ich zuckte unwillkürlich zusammen und schaute meine Schwester fassungslos an. »Wieso willst du Alex kennenlernen?«

»Weißt du denn nicht, wer das ist? Der soll ziemlich heiß sein!«, platzte es aus ihr heraus.

»Emily! Der ist viel zu alt für dich!«, hörte ich die Stimme von Martha.

»Da muss ich Martha Recht geben. Er ist wirklich zu alt für dich«, sagte ich, nachdem ich mich wieder etwas gefasst hatte.

Wieso kennt jeder Alex? Selbst meine Schwester kennt ihn!

Noch immer schmollend schaute Emily mich an.

»Du kennst ihn doch gar nicht! Woher willst du wissen, dass er zu alt für mich ist?«, fragte sie.

Ich seufzte.

»Ich muss dich leider enttäuschen. Ich kenne ihn.«

Sofort blickten mich Martha und Emily entsetzt an. »Was?!«

 

»Du hast Alex kennengelernt? Und er hat dir geholfen? Wahnsinn! Das muss schon was heißen, Marley!«

Die Stimme meiner Freundin riss mich aus meinen Gedanken. Nach dem Essen hatte ich Martha und meiner Schwester alles erzählt. Nachdem die beiden endlich Ruhe gaben und ich in meinem Zimmer verschwunden war, klingelte auch sogleich mein Handy. Mia war am anderen Ende der Leitung und ich kam nicht drum herum, ihr davon zu erzählen.

»Was soll es denn heißen? Er hat mir nur geholfen, weil er von den Typen gestört wurde!«

»Also, eigentlich macht Alex auch vor Frauen nicht Halt! Süße, du hattest wirklich ein verdammtes Glück, dass er dir nicht auch noch etwas getan hat!«

Ich seufzte und dachte noch einmal an den Moment zurück. Wenn ich so darüber nachdachte, dann hätte er mir wirklich etwas tun können. Er schien nur ziemlich müde gewesen zu sein. Vielleicht hatte Mia Recht und ich hatte wirklich Glück im Unglück.

»Mir ist ja nichts passiert, ist ja alles gut gegangen.«

»Darüber bin ich auch verdammt froh, Marley!«

 

Nachdem Mia und ich noch eine Weile telefonierten, legten wir auf und ich machte mich fürs Bett fertig. Noch immer kreisten die Gedanken um Alex. Warum hatte er mir geholfen? Warum hatte er mir nichts getan? Bei dem Gedanken an die Messerattacke bekam ich eine leichte Gänsehaut. Wieder einmal wurde mir bewusst, wie knapp ich dem ganzen entkommen war. Und das nur seinetwegen.

Seufzend verließ ich das Bad und legte mich ins Bett. Ich umklammerte mein Kissen und schaltete die kleine Lampe, die auf meiner Nachtkommode stand, aus. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend schlief ich ein. Mein letzter Gedanke: Alex.

 

*

 

Piep. Piep. Piep.

 

Wütend knallte ich meinen Wecker gegen die nächste Wand. Ich rieb mir über die Augen und öffnete diese sogleich. Ich schlug die Decke beiseite und schlenderte ins Badezimmer, um mich fertig zu machen. Nachdem ich mich geduscht und Zähne geputzt hatte, verließ ich mein Zimmer und begab mich zum Frühstück in die Küche.

Martha hatte bereits den Tisch gedeckt und der herrliche Duft von frischen Brötchen erfüllte den Raum. Lächelnd setzte ich mich auf meinen Stuhl und begann mit dem Frühstück. Nach einigen Minuten gesellte sich Emily zu mir.

Nachdem wir mit dem Frühstück fertig waren, gingen wir zur Garage, in dem mein Auto stand. Wir stiegen ein, ich startete den Motor und machte mich auf den Weg, um die beiden Freundinnen meiner Schwester einzusammeln. Heute hatten wir eine Veranstaltung, weshalb wir nur zwei Stunden Schule hatten und danach durften wir uns auf dem Schulgelände aufhalten. Schnell hatte ich die beiden Freundinnen eingesammelt. Nun waren wir an der Schule angekommen, an dem sich unsere Wege trennten.

»Ich hole euch gegen 12 wieder ab! Ich denke, dass die Veranstaltung nicht länger gehen wird.«

Nickend verschwanden die drei und ich schloss kopfschüttelnd das Auto ab, um mich auf den Weg zu Mia und Kim zu machen.

 

»Weißt du, was das für eine Veranstaltung ist?« Kim lief mit Mia und mir auf dem Schulhof herum. Wir hatten bereits die ersten zwei Stunden bei Herrn Smith hinter uns gebracht. In der Zeit hatten wohl freiwillige Helfer die zahlreichen Stände auf unserem Schulhof aufgebaut. Überall waren Tische aufgebaut worden, an denen man Sachen kaufen konnte. Schmuck, süßes Gebäck oder Klamotten. Alles war vorhanden. Neugierig schaute ich mir die Stände genau an, als mir unser Direktor mit Herrn Smith entgegen kam.

»Ah, Marley, ich wollte mich noch einmal persönlich bei Ihnen bedanken für gestern«, sagte der ältere Mann mit einem zaghaften Lächeln.

»Kein Problem«, erwiderte ich und gab ihm meine Hand. »Das habe ich doch gerne getan.«

Herr Smith schaute mich allerdings wieder mit seinen stechendscharfen Augen an. Ich hatte erneut das Gefühl, dass er in meine Seele schauen konnte.

»War alles in Ordnung gestern?«, fragte er sogleich.

Ich zuckte kurz zusammen. Bleib ruhig und lass dir nichts anmerken!

»Ja, alles bestens gewesen«, gab ich zurück und lächelte ihn an, doch das schien nicht zu funktionieren. Herr Smith fixierte mich mit seinem Blick.

»Lass uns doch ein Stück gemeinsam gehen«, sagte er und lief bereits los.

Mein Blick glitt noch einmal zu unserem Direktor, der mir lächelnd zu nickte. Ich lief schnell unserem Lehrer hinterher. Gemeinsam schauten wir uns die Stände an. Kein Wort verließ mehr seine Lippen.

»Was wollten Sie von mir?«, fragte ich nach einer Weile. Die Stille ging mir etwas auf die Nerven.

»Du bist meinem Bruder begegnet, nicht wahr?«

Geschockt weiteten sich meine Augen und ich starrte ihn verwirrt an. »Ihr Bruder?!«

Nickend lief Herr Smith weiter. »Alex ist damals von Zuhause abgehauen. Ich hätte ihn gerne bei mir, aber er will es einfach nicht. Da kann ich wohl nichts machen… Stattdessen höre ich immer wieder Gerüchte, dass er die Schule an sich gerissen hat.« Er schnaubte verächtlich und ballte seine Hand zur Faust. »Wie konnte aus ihm nur so ein Mensch werden?«

»Ich glaube, Alex ist kein so schlechter Mensch, wie Sie denken. Ich habe ihn gestern von einer anderen Seite kennengelernt. Er hat mir geholfen und ich werde ihn suchen, damit ich mich persönlich bei ihm bedanken kann!«

Herr Smith schaute mich verwirrt an. »Er hat dir geholfen?! Dann ist doch noch nicht alles verloren…«

Ein Lächeln huschte über meine Lippen.

»Sagen Sie mir, wo ich ihn finden kann. Dann werde ich versuchen ihn zurück zu holen.«

Träume

In meinem Blick lag eine solche Entschlossenheit, dass es mich selbst wunderte, woher ich diese nahm. Ich kannte Alex nicht und doch wollte ich, dass es ihm gut geht. Herr Smith war der Einzige, der mir in dieser Sache weiterhelfen konnte. Noch immer hatte er nichts darauf geantwortet. Sein Blick ruhte auf mir, doch in seinen Augen hatte sich etwas geändert. Sie strahlten plötzlich eine Wärme aus, die ich vorher noch nicht bei ihm gesehen hatte, denn normalerweise war sein Blick streng und kalt. Keinerlei Emotionen ließ er zu.

»Du willst Alex zurück holen? Wie willst du das anstellen?«

Seine Frage überrumpelte mich etwas. Wirklich Gedanken darüber hatte ich mir bisher noch nicht gemacht. Eher war mein Auftreten eine Kurzschlussreaktion gewesen, doch wollte ich auf keinen Fall einfach so aufgeben, ohne es irgendwie versucht zu haben. Entschlossen lächelte ich Herr Smith an.

»Lassen Sie das mal meine Sorge sein, Herr Smith. Ich kriege das hin!«, antwortete ich selbstbewusst.

Dies entlockte meinem Gegenüber ein kurzes Lächeln, welches jedoch sofort wieder verschwand und er mich ernst ansah.

»Du wirst ihn im Park finden. Dort ist er fast jeden Tag. Wo er genau wohnt, weiß ich leider nicht.«

Ich lächelte ihn aufmunternd an. »Ich werde mein Bestes geben, um ihn zu finden. Versprochen!«

Somit drehte ich mich auf dem Absatz um und ging zurück zu Mia und Kim. Die beiden standen schon die ganze Zeit etwas Abseits und hatten scheinbar alles beobachtet.

»Was wollte Herr Smith denn von dir?«, fragte Mia neugierig.

»Nichts Besonderes. Er wollte sich nur erkundigen, ob gestern alles gut gelaufen ist«, erwiderte ich schulterzuckend.

Das schien Mia wohl als Antwort zu reichen, denn sie erwiderte darauf nichts mehr. Kim warf ihr einen merkwürdigen Blick zu, den ich gekonnt ignorierte.

»Kommt, wir schauen uns noch etwas um hier«, beschloss ich, hakte mich bei den beiden ein und lief die zahlreichen Stände mit ihnen ab.

 

*

 

»Ich habe noch etwas zu erledigen. Ich komme später nach Hause.«

Ich saß mit meiner Schwester im Auto. Ihre Freundinnen hatte ich bereits in ihrem Zuhause abgesetzt und war nun auf dem Weg zur Villa. Emily schaute mich fragend an.

»Wo willst du hin?«

Lächelnd blickte ich sie über den Rückspiegel an.

»Ich habe noch einen Auftrag von Herrn Smith bekommen.«

Nachdem ich an der Villa ankam und Emily ausgestiegen war, ließ ich noch einmal das Fenster runter.

»Sagst du Martha bitte Bescheid?«, rief ich noch einmal hinterher.

Nickend drehte meine Schwester sich wieder um und betrat die Villa.

Ich schloss das Fenster wieder, legte den Gang ein und machte mich auf den Weg zum Bahnhof.

 

Nachdem ich am Bahnhof ankam und mir ein Ticket besorgte, stieg ich in den Zug ein. Ich setzte mich an die Scheibe und lehnte meine Stirn dagegen. So langsam überkam mich Nervosität. Was sollte ich tun, wenn Alex wirklich auftauchen sollte? Wie sollte ich ihn ansprechen und sollte ich seinen Bruder erwähnen? Seufzend schloss ich meine Augen.

Der Zug hielt an meinem Ziel und ich stieg schnell aus. Mit langsamen Schritten ging ich die Straßen vom letzten Tag entlang. Immer in der Hoffnung, dass die Typen von gestern nicht noch einmal auftauchen würden. Nach wenigen Minuten kam ich zu dem heruntergekommenen Park. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen betrat ich diesen und schaute mich sorgfältig um.

Ich ging den steinernen Weg entlang und betrachtete die einzelnen Bänke, doch niemand war zu sehen. Schulterzuckend lief ich weiter und sah von weitem bereits, dass ein junger Mann auf einer Bank lag und scheinbar schlief.

Lächelnd und innerlich triumphierend, dass es so leicht war, ging ich auf die besagte Bank zu. Ich hatte die Bank noch nicht ganz erreicht, da öffnete Alex seine Augen und blickte mich etwas verwirrt an.

»Was willst du?«

Seine eiskalte Stimme ließ mich unwillkürlich zusammen zucken. Eine Gänsehaut breitete sich über meinem Rücken aus. In diesem Moment wurde mir erst wieder klar, wen ich gerade belästigte. Mutig holte ich den Apfel aus meiner Tasche und hielt ihn zitternd in meinen Händen.

Verwundert über meine Tat schaute er mir in die Augen.

»I-Ich wollte dir deinen Apfel zurück geben«, sagte ich. Meine Stimme klang nicht wirklich Entschlossen, aber sie hatte ihren Zweck erfüllt, denn auf Alex‘ Lippen schlich sich ein kurzes Lächeln, welches im nächsten Moment wieder verschwunden war. Diese Szene erinnerte mich an seinen Bruder und ich musste leicht schmunzeln. Die beiden waren sich wohl ähnlicher, als sie es wollten.

Ich war so in meine Gedanken versunken gewesen, dass ich gar nicht bemerkte, wie Alex sich auf die Bank setzte und mich stumm ansah. Auf was wartete er?

Mein Herz schlug in diesem Moment immer schneller. Ich hörte das Blut in meinen Ohren rauschen und ich hatte das Gefühl, dass ich innerlich verbrannte. Sein Blick ruhte so intensiv auf mir, dass es mir eine weitere Welle der Gänsehaut über den Rücken jagte. Was zum Teufel machte dieser Junge mit mir?

Plötzlich schlich sich ein Grinsen auf seine Lippen. »Mache ich dich nervös?«

Ich zuckte erneut zusammen. War ich so durchschaubar für ihn? Ein Lachen ertönte und riss mich aus meinen Gedanken.

»Du bist wirklich niedlich, wenn du so schaust«, kam es von ihm. Er stand auf und überbrückte die wenigen Meter zwischen uns mit nur einem Schritt. Nun stand er direkt vor mir. Ich blickte zu ihm hoch, denn er war ein ganzes Stück größer als ich selbst. Bei der plötzlichen Nähe von ihm wurde mein Gesicht ganz heiß.

»Hat es dir die Sprache verschlagen?«

Ich riss mich zusammen und blickte ihm in seine Augen.

»Nein«, flüsterte ich.

Im nächsten Moment spürte ich seine Hand auf meiner und ich schaute ihn erschrocken an, bis ich bemerkte, dass er den Apfel an sich genommen hatte. Mit einem Funkeln in den Augen biss er genüsslich davon ab und grinste mich an.

»Lecker, aber leider nicht der Apfel, den ich durch dich verloren habe«, sagte er.

Fragend blickte ich ihn weiterhin an. Meine Haut kribbelte noch etwas von seiner kurzen Berührung.

»Wie meinst du das?«, fragte ich.

Alex entfernte sich wieder von mir und lief einfach gemütlich aus dem Park. Ich stand verwirrt und ratlos an Ort und Stelle. Was sollte das denn wieder? Wütend ballte ich meine Hände zur Faust und rannte ihm hinterher.

Der Schwarzhaarige hatte mich natürlich sofort bemerkt und schaute mich über seine Schulter an.

»Hast du nichts Besseres zu tun, als mir hinterher zu laufen?«

Wütend funkelte ich ihn an. Wie konnte man von der einen Sekunden auf die andere so verschieden sein? Er war doch gerade noch total nett und jetzt war er so anders! Frustriert blieb ich stehen und ließ ihn gehen.

Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen. So leicht werde ich es dir nicht machen, Alex!

Ich wartete einen Moment ab, bis Alex um die nächste Ecke bog und ging ihm dann langsam mit genügend Abstand hinterher. Nach einigen Minuten kam Alex an einem Wohnblock an, der ziemlich heruntergekommen aussah. Er schaute sich noch einmal nach rechts und links um, um sicher zu sein, dass ihn niemand verfolgte und trat dann in seine Wohnung ein.

Grinsend ging ich zu dem Wohnblock und suchte nach seinem Klingelschild. Echt super, dass ich durch unseren Lehrer automatisch seinen Nachnamen kenne und ihn so ganz leicht finden kann!

Ich betätigte die Klingel im unteren Stock und betrat das Gebäude, nachdem das Summen der Tür ertönte. Manche Nachbarn waren so naiv, dass sie einem Fremden einfach die Tür öffneten, ohne die Sprechanlage zu benutzen. Das war mein Vorteil! Denn durch die Klingelschilder wusste ich, dass Alex sich nun im 3. Stock befinden musste. Entschlossen stieg ich die Treppen hinauf und kam kurz darauf im besagten Stock an. Ich musste nicht lange suchen, da fand ich seine Wohnungstür.

Nun stand ich nervös davor. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und klingelte.

»Verschwindet! Ich will keine Reklame!«

Diese Aussage brachte mich wirklich zum Schmunzeln. Erneut betätigte ich die Klingel. Nach wenigen Sekunden wurde die Tür brutal aufgerissen. Ein wütender Alex stand darin, doch sein Gesichtsausdruck wurde schnell zu einem Entsetzten, der dann zu einem verwirrten wurde.

»Was machst du hier?!«

Ich zuckte mit den Schultern. »Du schuldest mir noch eine Antwort.«

Verblüfft schaute er mich an. Kurz darauf begann er zu grinsen.

»Du gefällst mir, Kleine«, sagte er.

Eine erneute Gänsehaut überfiel mich.

»Deine Hartnäckigkeit soll belohnt werden. Komm doch rein«, bot er an und trat ein wenig zur Seite, um mir Platz zu machen.

Unsicher blickte ich ihm in die Augen. Konnte allerdings keinerlei Regung in ihnen finden. Ich atmete noch einmal tief ein und aus und betrat dann die kleine Wohnung. Vom Flur aus konnte man zwei Türen erkennen. Am Ende des Flures sah man das Wohnzimmer mit angrenzender Küche. Alex berührte mich am Rücken und schob mich sanft ins Wohnzimmer.

»Fühl dich wie Zuhause«, sagte er und begab sich in die Küche.

Ich schaute mich in der Zeit in dem Raum um. In der Mitte des Raumes stand eine Couch, die aus schwarzem Leder war. Davor stand ein kleiner Tisch, auf dem eine Kerze seinen Platz gefunden hatte. Etwas weiter weg stand ein kleiner Fernseher auf einer Art Kommode. Ich ließ meinen Blick weiter durch den Raum schleifen. Überall lagen leere Flaschen und Männerzeitschriften auf dem Boden. Ich setzte mich auf die Couch und wartete darauf, dass Alex zurück kam.

»Es war ein Rubinapfel gewesen.«

Seine Stimme ließ mich kurz erschrocken zusammen zucken. Mein Blick huschte zur Küchentür, an der Alex nun angelehnt stand. In der Hand hielt er ein Glas Wasser, aus dem er nun einen Schluck trank.

»Es ist nicht leicht, an solch einen Apfel zu kommen. Er war sehr kostbar für mich«, sagte er, stieß sich von der Tür ab und kam zu mir.

Seufzend setzte er sich auf die Couch.

»Aber warum hast du ihn dann benutzt, um Carlos zu treffen?«

Alex zuckte mit seinen Schultern.

»Ich weiß es nicht.«

Eine ganze Weile schwiegen wir uns an. Mein Blick glitt in die Küche und ich stellte fest, dass diese sehr sauber war. Alles war sorgfältig an seinem Platz.

»Wofür brauchtest du den Apfel?«

Überrascht über meine Frage blickte er mich an. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen.

»Apfelkuchen«, war seine schlichte Antwort und ich wusste in dem Moment nicht, ob er das ernst meinte oder nicht. Ich wollte es aber nicht darauf ankommen lassen und beließ es dabei.

»Hast du Träume?«

Nun war ich diejenige, die überrascht schaute. Ich schüttelte mit dem Kopf. Alex schaute aus dem Fenster, als er wieder zu sprechen begann: »Mein Traum ist es irgendwann eine eigene Konditorei zu haben.«

Sein Blick wurde trauriger.

»Doch das wird immer ein Traum bleiben. Ich habe nur noch diese einzige Chance, doch die versaue ich mir selbst, weil ich einfach keine Lust mehr auf die Schule habe. Alle haben Angst vor mir, weil ich mir eine Mauer aufgebaut habe, um nicht verletzt zu werden.«

Er schüttelte wild mit dem Kopf. »Was erzähle ich dir das eigentlich? Ich kenne ja noch nicht mal deinen Namen!«

Lächelnd hielt ich ihm meine Hand hin. »Das lässt sich ändern.«

Verblüfft über meine Reaktion ergriff er schließlich doch meine Hand und lächelte mich an.

»Mein Name ist Marley.«

»Marley… ein sehr schöner Name«, sagte er, woraufhin ich etwas rot um die Nasenspitze wurde.

»D-Danke.«

 

Alex und ich verbrachten noch eine Stunde zusammen in der Wohnung, bis es langsam dunkel wurde.

»Ich glaube, es wird so langsam Zeit für mich zu gehen. Es wird bereits dunkel draußen«, sagte ich mit einem prüfenden Blick nach draußen. Ich stand auf und schnappte mir meine Jacke, als ich bemerkte, dass auch Alex aufgestanden war und sich ebenfalls seine Jacke überstreifte.

»Was wird das?«, fragte ich mit hochgezogener Augenbraue nach.

»Ich bringe dich nach Hause«, erwiderte er und ich freute mich sehr darüber.

In der letzten Stunde hatte ich viel von seiner Vergangenheit erfahren. Welche Gründe er hatte, sich so zu verändern und weshalb er von Zuhause abgehauen war. Noch immer wusste er nicht, dass ich seine Geschichte bereits vorher kannte und auch Kontakt mit seinem Bruder hatte. Das würde ich ihm ein anderes Mal besser erklären können, statt gleich mit der Tür ins Haus zu fallen.

Schweigend liefen wir nebeneinander her, bis wir am Bahnhof ankamen.

»Den Rest schaffe ich selbst, danke fürs begleiten«, lächelte ich sanft.

»Kein Problem.«

In diesem Moment kam mein Zug und ich stieg mit einem guten Gefühl ein. Als sich die Türen geschlossen hatten, blickte mich Alex noch immer an. Eine erneute Röte zierte meine Wangen. Als der Zug sich langsam in Bewegung setzte, hob Alex seine Hand zum Abschied und winkte mir.

 

*

 

»Wo warst du solange, Marley?«

Ich hatte kaum die Tür aufgeschlossen und den großen Eingangsbereich betreten, da wurde ich auch schon ins Kreuzverhör genommen. Martha und Emily hatten mich sofort ins Wohnzimmer geschleppt und mich ausgefragt.

»Jage uns bitte nie wieder einen solchen Schrecken ein, Schwesterherz!«, kam es von Emily, die sich wirklich ernsthafte Sorgen gemacht hatte.

»Macht euch keine Sorgen. Mir geht es gut!«, lächelte ich.

Nach einigem Überlegen entschied ich mich dazu, den beiden die Wahrheit zu sagen. Wenn ich jemandem vertrauen konnte, dann Martha und Emily. Die Gesichter der beiden wurden immer komischer, je mehr ich ihnen erzählte. Sie konnten gar nicht glauben, dass Alex ganz normale Träume hatte. Die Vergangenheit ließ ich bewusst aus.

Müde gähnte ich. »Ich bin dann mal oben. Es war wirklich ein anstrengender Tag gewesen.«

Somit stieg ich die Treppen hoch und schmiss mich sofort ins Bett. Als ich mich auf den Rücken drehte, fiel ein Zettel aus meiner Tasche. Neugierig schnappte ich ihn mir und öffnete ihn.

 

Ich möchte dich gerne wieder sehen! A.



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